Gartenkulturelles Erbe der Nachkriegszeit
Der Botanische Garten der Ruhr-Universität Bochum
Denkmal des Monats
Mai 2022
Zwischen Wirtschaftswunder und Postmoderne
Stellvertretend für das vielfältige gartenkulturelle Erbe der Nachkriegszeit wurde der Botanische Garten der Ruhr-Universität Bochum als Denkmal des Monats Mai 2022 ausgewählt.
Er ist nur eine von vielen öffentlichen Grünanlagen, die in der Epoche zwischen Wirtschaftswunder und Postmoderne entstanden sind und durch Formensprache, Material- und Pflanzenverwendung die gartenarchitektonischen Tendenzen ihrer Entstehungszeit anschaulich vermitteln.
Für eine botanische Exkursion oder einfach nur für Naherholung im Grünen bietet sich ein Besuch des botanischen Gartens an. Foto: LWL/Hörmeyer
Schleichender Verlust des gartenkulturellen Erbes
Leider ist das Wissen über das gartenkulturelle Erbe der Nachkriegszeit (1945 bis 1989) unzureichend, so dass weitgehend unbemerkt Grünanlagen dieser Zeit aus Unkenntnis ihres Wertes überformt, aus pflegetechnischen Gründen gestalterisch vereinfacht oder gar beseitigt werden.
Für einen Überblick der in der Nachkriegszeit in Westfalen-Lippe geschaffenen und noch erhaltenen öffentlichen Gärten, Parks und Stadtplätze hat die LWL-Denkmalpflege, Landschafts- und Baukultur in Westfalen im Jahr 2017 ein Erfassungsprojekt initiiert. Die daran beteiligten Kommunen haben ihre Archive und Planschränke mit Entwürfen, Bau- und Pflanzplänen sowie bauzeitlichen Fotografien geöffnet, so dass manch unbekannter Schatz der Gartenkultur der Nachkriegsepoche vor dem Vergessen bewahrt werden konnte. Archivalien und aktuelle Bestandsdokumentationen bieten eine gute Grundlage für die wünschenswerte Erhaltung und Instandsetzung der Grünanlagen.
Rechts: Verwunschene Pfade führen zu den differenziert gestalteten und bepflanzten Vegetationsbereichen. Foto: LWL/Hörmeyer
Unten: Bachlauf und Teich bilden einen vielfältigen, naturnahen Lebensraum und sind zugleich eine Attraktion für Besucherinnen und Besucher. Foto: LWL/Siekmann
Moderne Baustoffe und neue Formensprache
Der Botanische Garten der Ruhr-Universität Bochum entstand Ende der 1960er-Jahre südlich der Fakultätsgebäude am Südhang des Ruhrtales. Der Garten bietet den Lehrenden und Studierenden Freilandbiotope für die wissenschaftlich-botanische Forschung. Auch interessierte Besucherinnen und Besucher können im Freiland und in den Gewächshäusern Pflanzen aus aller Welt bewundern
Terrassen, Treppen, Wege und Mauern aus Naturstein und Sichtbeton gliedern den Ruhrhang. Die Verwendung von Beton, sei es als Waschbetonplatten, Betonverbundsteine oder Strukturbeton, ist ein zeittypisches Merkmal der Freiraumgestaltung der 1960er-Jahre und zeigt seine vielseitige und gern genutzte Verwendung als Baustoff der Nachkriegsmoderne. Charakteristische Gestaltungsmerkmale sind die im Grundriss stumpfwinklig aufeinandertreffenden Stützmauern und Wege, die das terrassierte Gelände mit den verschiedenen Vegetationsbildern der Kontinente strukturieren.
Bis auf kleinere Änderungen, die der Erleichterung der Pflege dienen oder aus wissenschaftlich-botanischen Gründen erforderlich waren, ist der Botanische Garten ein gut erhaltenes, überregional bedeutendes Zeugnis der Gartenkunst der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Links: Der Steg im Sumpfzypressenwald erschließt ein urzeitlich anmutendes Vegetationsbild, wie es während des Tertiärs in Mitteleuropa verbreitet war. Foto: LWL/Hörmeyer
Unten: Kleinteilig gegliederte und strukturierte Aufenthaltsbereiche mit Sitzplätzen laden im botanischen Garten zum Verweilen ein. Foto: LWL/Siekmann
Literaturhinweis
Autor
Uwe Siekmann
Ehemaliger Mitarbeiter Gartendenkmalpflege