Die Promenade in Münster
Ein Besuch im toskanischen Lucca in den 1980er-Jahren ließ den Verfasser staunen: Auf dem etwa 4,2 km langen Ring auf der erhaltenen Stadtmauer des 16. Jahrhunderts brauste der Autoverkehr rund um die Altstadt.
Zu derselben Zeit hatten sich in Münster die zuständigen Gartenbaudirektoren aufgemacht, die ebenfalls 4,2 km lange Promenade, Münsters „Lindenkranz“, wieder in Schuss zu bringen. Wie in der Toskana hatte der unbebaute Ring rund um die Altstadt die Planer und Techniker der verschiedensten Fachrichtungen angelockt: Kabel- und Versorgungsleitungen jedweder Art und Fernwärmerohre prägten den Untergrund, Pflasterwege und andere „Versiegelungen“ gefährdeten den Baumbestand. Die Wasserführung konnte den Lindenkranz kaum noch ausreichend versorgen. Gelüste, den alten Wall auch in Münster für Automobile befahrbar zu machen, tauchten immer mal wieder auf, wurden zum Glück aber als völlig irreal ins Reich der Phantasie verwiesen. Das wichtigste innerstädtische Grün Münsters – so bezeichnete ein Gartenfachmann die Promenade, war gefährdet. Dabei ist sie in all ihrer Schlichtheit ein planerisches Werk Schlauns, für das ein erster Hinweis aus dem März 1767 gesichert vorliegt.
Alle Fotos: © Andreas Lechtape | www.andreaslechtape.de
Die Stadtbefestigung wird geschleift
Der Generalmajor Schlaun und sein Kollege Generalleutnant von Wenge erhielten damals den Auftrag, wegen der vorgesehenen Schleifung die Wälle und Werke Münsters genau zu vermessen. Diese Arbeiten konnten bis zum Juli 1767 abgeschlossen werden. Politisch hatte sich in Analyse der letzten Kriegszeiten ergeben, dass befestigte Städte keine militärischen Vorteile mehr bieten konnten, die Unterhaltung von Mauern, Gräben und Wällen dagegen immer aufwändiger wurde. Insofern war die Schleifung der inzwischen auch als einengend empfundenen Fortifikationen europaweit im Gange.
Zierde und Erholung
Tatsächlich diente die Promenade von Anfang an dem Schmuck und der Zierde der Stadt, aber auch der Erholung ihrer Bürgerinnen und Bürger. Dies geht schon aus den Anweisungen hervor, die man 1767 Johann Conrad Schlaun seitens der Fürstbischöflichen Regierung erteilte. Demnach hatte man bei der Ausführung der Arbeiten auf den Spitzen der Schanzen und Werke Ruheplätze anzulegen, „ohne die Spatzierfahrt und Promenade zu benachtheiligen“.
Grüner Ring um Münster: die Promenade heute
Münsters Promenade mit ihren etwa 2000 Linden ist vielbesungener Bestandteil der städtischen Aura. Tausende Radfahrer nutzen sie jeden Tag und zu allen Jahreszeiten, Sportlern dient sie als Laufstrecke. Zahlreiche Abfahrten führen vom alten Stadtwall herunter in die Quartiere der Altstadt oder über „grüne Zungen“ hinaus ins Münsterland. Berühmt ist der Flohmarkt, der mehrfach im Jahr unter den Linden stattfindet. Ein besonderes Event ist die „Grünflächenunterhaltung“, bei der verteilt über die ganze Strecke der Promenade Musiker, Chöre, Künstler ihr Können zur Freude der promenierenden Zuschauer präsentieren.
Als im Januar 2007 der Sturm „Kyrill“ auch in Münster wütete und die Linden besonders im Promenaden-Abschnitt vor dem Schloss riss, regte sich der Münstersche Bürgersinn. Eine große Spendenaktion brachte schon für diese Neuanpflanzung 240 Linden-Spenden von je 1.000 €. Und das toskanische Lucca hat sich besonnen. Inzwischen sind die Autos vom dortigen Stadtwall verbannt und dort wie hier in Münster lädt die mittelalterliche Befestigung zur entspannenden Promenade, zum Bummeln, zum Sport und zur Spazierfahrt ein.
Hans-Peter Boer
Adresse
Die Promenade umschließt die gesamte Altstadt von Münster.
Besuch
Die Promenade kann rund um die Uhr zu Fuß oder mit dem Fahrrad besichtigt werden. Für den Autoverkehr ist sie gesperrt.