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Die große Kaskade im Palaisgarten Detmold

Instandsetzung des Umfeldes der großen Kaskade im Palaisgarten Detmold

Denkmal des Monats
Mai 2025

Inszenierung durch Wasser

Die Inszenierung von Gärten durch das Element Wasser spielte in den architektonischen Anlagen des 16. bis 18. Jahrhunderts ebenso wie in den landschaftlichen Parks des 19. Jahrhunderts europaweit eine große Rolle. Ein repräsentatives Beispiel in Westfalen ist der Palaisgarten in Detmold, der in den 1850er Jahren durch Fürst Leopold II. zur Lippe als Landschaftsgarten mit Teichen, Brunnen und Fontänen gestaltet wurde. Bekannt ist vor allem die große Kaskade, deren hell aufschäumendes Wasser vor der schroffen und dunklen Steinformation beeindruckend zur Geltung kommt. Die umgebenden, durch ebenfalls dunkles Laub geprägten Bäume und Gehölze waren nach über 170 Jahren nicht mehr erhalten, weshalb in den vergangenen Jahren das Umfeld der Kaskade gartendenkmalpflegerisch saniert und wiederhergestellt wurde. So ist die große Kaskade heute wieder als einzigartiges Gestaltungselement erlebbar.

Umwandlung in einen Landschaftsgarten

In den landschaftlichen Parks des 19. Jahrhunderts war das Gestaltungselement Wasser in natürlicher, die Natur nachahmender oder auch in bewusst künstlicher Form nahezu überall vertreten. Besonders fürstliche Herrscher präsentierten sich durch aufwendige Wasseranlagen. So ließ Fürst Leopold II. zur Lippe den ursprünglich barocken Detmolder Palaisgarten nach 1850 aufwendig in einen Landschaftsgarten mit zahlreichen Wasserspielen umwandeln. Besonders günstig für die Anlage der Wasserelemente war die unmittelbare Nähe des Palaisgartens zum Friedrichsthaler Kanal, der auch Bestandteil der Detmolder Parklandschaft ist. Aus diesem konnte Wasser entnommen und mithilfe einer modernen Dampfmaschine, der sogenannten Francis Turbine von 1855, auf ein höher gelegenes Reservoir gepumpt werden. Von dort wurde das Wasser im Park durch ein verzweigtes Rohrleitungsnetz zu den verschiedenen Wasserspielen verteilt oder als Brauchwasser entnommen. 

Die große Kaskade

Die große Kaskade bildete den östlichen Abschluss des neuen, landschaftlichen Parks am Endpunkt der ehemaligen barocken Hauptachse. Das Umfeld der gut sechs Meter aufragenden, imposanten Steinformation wurde nach dem romantischen Vorbild einer düsteren und schroffen Hochgebirgslandschaft entsprechend überwiegend mit Fichten und wenigen anderen, dunkellaubigen Gehölzen wie der Eibe gestaltet. Diese möglicherweise vom prominenten Bergpark in Kassel oder anderen pittoresken Parkanlagen inspirierte Szenerie konnte selbst von den rund 250 Meter entfernten Terrassen des Palais noch wahrgenommen werden, da der hell aufschäumende Wasserfall vor dem dunklen Hintergrund einen effektvollen Kontrast erzeugte – ein  imposantes Schauspiel.

Veränderungen

Im Laufe der vergangenen gut 170 Jahre veränderte sich dieses sorgfältig inszenierte, jedoch vergängliche Bild erheblich bzw. ging nahezu vollständig verloren. Bis auf wenige Fichten und Eiben war die Partie durch starken Wildwuchs von Laubbaumsämlingen einerseits und erhebliche Lücken in der arrangierten Gebirgskulisse andererseits kaum mehr nachvollziehbar. Besonders die schnellwüchsigen Fichten verkahlten an den hoch aufgewachsenen Stämmen und erfüllten somit nicht mehr ihre intendierte Wirkung eines üppigen, dunkelgrünen Bildhintergrundes.  

Neubepflanzung 2024, rechts die Kaskade

Denkmalgerechte Wiederherstellung

2017 strebte der Bau- und Liegenschaftsbetrieb des Landes Nordrhein-Westfalen (BLB NRW) als Eigentümerin des Palaisgartens die Restaurierung des bedeutenden Ensembles an, nachdem wenige Jahre zuvor bereits die bauliche Substanz sowie die Pumpentechnik der Kaskade erneuert werden konnte. Erste Grundlagen für die gartendenkmalpflegerische Wiederherstellung des Umfeldes an der großen Kaskade lieferte bereits das Parkpflegewerk des bekannten Landschaftsarchitekturbüros Rose und Gustav Wörner aus Wuppertal von 1994.

Die weiterführende Detailplanung bearbeitete 2017 das Bielefelder Büro LAE – Landschaftsarchitektur Ehrig. In diesem Rahmen wurde der aktuelle Bestand nochmals detailliert erfasst, bewertet und Vorschläge für die denkmalgerechte Wiederherstellung des beschriebenen, historischen Parkbildes erarbeitet. Um dieses wiederherzustellen war zunächst ein erheblicher Eingriff in den aktuellen Bestand notwendig, der unter den beteiligten Parteien nicht unumstritten war. So fiel nach intensiver Diskussion die Entscheidung, eine zirka einhundert Jahre alte Platane zugunsten notwendiger Nachpflanzungen zu fällen.

Befall durch den Borkenkäfer

In den Jahren 2018 und 2019 erfolgte der Wiederaufbau der charakteristischen Gebirgskulisse durch die Anpflanzung von zahlreichen jungen Fichten, Eiben, weiteren Begleitsträuchern und Bodendeckern. Damit schien die Wiederherstellung des Bereiches um die große Kaskade erfüllt. Jedoch stellte sich mit den Sommern nach 2018 eine langanhaltende Dürre- und Hitzephase in Mitteleuropa ein. Allen voran die Fichten litten überall in Deutschland unter den Extrembedingungen und dem damit einhergehenden Befall durch den Borkenkäfer. So starb zum Bedauern aller am Prozess Beteiligten ein Großteil der jung gepflanzten Fichten an der großen Kaskade nach kürzester Zeit wieder ab.

Erneuter Wiederaufbau

Für den erneuten Wiederaufbau, der als alternativlos von Denkmalpflegern, Planern und der Eigentümerin gesehen wurde, musste eine neue, angepasste Lösung gefunden werden, wobei nicht mehr nur die Fichte als alleinige Baumart eingesetzt werden konnte. Für eine klimaangepasste und resilientere Bepflanzungsmethode wurde ein Planungsbüro für Dendrologie und Arboristik hinzugezogen. In einem weiteren Gutachten untersuchten die Experten der Firma Grüner Zweig aus Tecklenburg den Standort und explizit die Bodenverhältnisse und erarbeiteten Varianten für einen Wiederaufbau des Gehölzbestandes im Abgleich mit der denkmalfachlichen Zielstellung.

Große Kaskade wieder erlebbar!

Im Ergebnis wurden drei verschiedene Parameter im Vergleich zur ersten Planung angepasst:

  1. Die Neupflanzung erfolgte nunmehr mit verschiedenen Baumarten, vorwiegend Nadelgehölzen, die als klimaangepasst eingestuft werden, aber auch weitestgehend den optischen Eigenschaften des intendierten Gartenbildes entsprechen. Dabei wurde auch die Fichte als originale Baumart wieder in die Artenzusammensetzung integriert.
     
  2. Die Anpflanzung erfolgte in heterogenen Altersstufen, um ein lockeres und natürliches Erscheinungsbild zu erzeugen. Dieses ist in Kombination mit einem dichteren Pflanzenbesatz zudem geeignet, die kleinklimatische Standortstabilität deutlich zu erhöhen.
     
  3. Der Boden wird entsprechend den Bedürfnissen der eingesetzten Pflanzen verbessert und ein Bewässerungsplan erarbeitet.
     

Nach Einbringen der Pflanzen gemäß dem überarbeiteten Konzept in den Jahren 2023 und 2024 ist das einzigartige Gestaltungselement Große Kaskade im Palaisgarten Detmold wieder erlebbar. Ob die angepasste Bepflanzungsstrategie langfristig den kontinuierlichen, klimatischen Veränderungsprozessen wird standhalten können, wird sich zeigen. 

Autor

Marcus Weiß
Gartendenkmalpflege

marcus.weiss@lwl.org

Tel: 0251 591-4062

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