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Spurensuche an Dach und Fach

Bauforschung im Fachwerkbau

Haus Bergstraße 9 in Münster, nördliche Traufwand 1982

Haus Bergstraße 9

Münster

Für das denkmalgeschützte Fachwerkhaus lag ein Abbruchantrag vor. Die Bauforschung des Denkmalfachamts erkannte jedoch ein für Münster einmaliges Objekt – das älteste weitgehend erhaltene Fachwerk-Bürgerhaus der Stadt. In gemeinsamer Anstrengung des Denkmalfachamts und der Stadt Münster gelang die Verhinderung des Abbruchs. Die Stadt kaufte 2020 das Gebäude. Von dem Haus wurde eine tachymetrisch gestützte, verformungsgetreue Bauaufnahme hergestellt, ergänzt durch Handaufmaße. Alle Bauteile wurden untersucht, fotografiert und nach Bauperioden eingeteilt.

Spätmittelalterliches Fachwerk von 1423

Das Fachwerkgefüge wurde dendrochronologisch auf 1423 datiert. Eine kleine Sensation, da es sich nicht nur um das drittälteste bekannte erhaltene Fachwerk in ganz Westfalen handelt, sondern auch das älteste Bürgerhaus aus Fachwerk. Es ist mehr als ein schönes Baudenkmal, denn es bietet als Primärquelle auch neue Grundlagen für die Erforschung des Fachwerkbaus und des städtischen Lebens im Spätmittelalter.

Digitale Bestandsdarstellung und Rekonstruktion

Im dreidimensionalen Modell zeichnet sich im Erdgeschoss ein über drei Meter hoher Hauptstock ab, im Obergeschoss ein niedrigerer, sogenannter „Speicherstock“. Das erhaltene Kehlbalkendach weist auf eine Ziegeldeckung schon zur Bauzeit hin. Die Straße lag zur Bauzeit 1423 noch etwas tiefer, sodass das Gebäude mit einem niedrigen Steinsockel rekonstruiert werden kann. Speicherstock und Dach kragten jeweils auf Knaggen zur Straße hin aus. Die Auskragungen wurden später entfernt und das Giebeldreieck in die heutige Position „zurückgeschoben“.

Das Haupthaus des ehem. Hofs Beermann 2013

Ehem. Hof Beermann

Ennigerloh-Westkirchen (Kreis Warendorf), Warendorfer Straße 75

Das 1526 errichtete, zwischen 1738 und 1760 renovierte große Kötterhaus stand seinerzeit im Besitz der Hofkammer in Münster.

Es ist in der Forschungsliteratur seit 1986 als ältestes Dielenhaus des Ostmünsterlands bekannt, außerdem als ausnehmend frühes Vierständer-Längsdielenhaus. Aktuell stand es – nach einem halben Jahrhundert unterlassener Bauunterhaltung – vor dem Totalverlust.

Die Bauforschung des LWL-Denkmalfachamts untersuchte 2023 das freigelegte Fachwerkgerüst, das im Februar 2024 abgebaut wurde. Die älteren gefügekundlichen Darstellungen wurden bestätigt und um wesentliche Erkenntnisse bereichert. Wegen des einmaligen Zeugniswerts plant der neue Eigentümer, das Haus bei der Entwicklung des Grundstücks wiederaufzubauen.

Hof Mössing, Traufansicht

Hof Mössing

Ahlen (Kreis Warendorf), Im Seebrock 94

Der Hof Mössing trägt seit Jahrhunderten diesen Namen. Er gehörte zur wirtschaftlichen Ausstattung des Kollegiatsstiftes St. Martini in Münster. Für das Haupthaus verdeutlicht die Baualterskartierung auf Basis eines verformungsgetreuen Aufmaßes anschaulich eine für Westfalen charakteristische Baugeschichte.

Das Vierständer-Längsdielenhaus wurde nach der Bauinschrift „IOHAN MOSSING GERDRUT IASPARS / ANNO 1696 DEN 3 IULIUS“ errichtet. Die Datierung wurde durch eine dendrochronologische Untersuchung des Kernbaugefüges (blau) bestätigt.

Im 19. Jahrhundert (rot) erhielt die Herdküche einen gemauerten Schornsteinstapel mit hölzernem Bosen davor. Die Verkleidung des Herdfeuers ist inschriftlich auf 1869 datiert. Zur selben Zeit wurden das Dachwerk neu aufgeschlagen und die Lehmausfachungen der Wände in Backstein erneuert.

Hof Hillebrandt, Wirtschaftsgiebel

Hof Hillebrandt

Lengerich (Kreis Steinfurt), Schrotweg 28

Der Hof Hillebrandt ist nach seinem ältesten bekannten Besitzer und nach der Hausinschrift am Torriegel des Haupthauses in der hauskundlichen Forschungsliteratur bekannt. Bis 2022 galt der Bau von 1558 mit Ausnahme des Wirtschaftsgiebels als verloren. Trotz der „Versteinerung“ der Außenwände in den 1980er-Jahren bewahrte der Bau unter der heutigen Besitzerfamilie seine Kubatur und seine ursprüngliche Funktion als Wohn- und Wirtschaftsbau.

Die Bauforschung wies 2022 gefügekundlich und dendrochronologisch nach, dass im Innern die Diele mit dem Gebälk von 1558 weitgehend unverändert erhalten ist (blau).

Eine einschneidende Umbauphase stellte die Neuerrichtung des Dachwerks nach einem Brand im Jahr 1777 dar. Die bodennah schadhaften Originalständer wurden im 20. Jahrhundert in etwa 1,80 m Höhe von unten abgeschnitten und durch dünne Wechsel abgefangen.