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Die Nordfassade des ehemaligen Stiftsdamenhauses

Ehemaliges Stiftsdamenhaus stammt aus dem 16. Jahrhundert

Bauforschung in Hohenholte
Denkmal des Monats
Januar 2025

Entdeckung in Hohenholte

Im ländlichen Hohenholte, in unmittelbarer Nähe der Kirche St. Georg und idyllisch hinter einer alten Obstbaumwiese gelegen, befindet sich das Wohnhaus Krummer Timpen 12. Das ehemalige Stiftsdamenhaus birgt eine spannende und bis vor Kurzem unbekannte Hausgeschichte, die nun vom LWL-Denkmalfachamt wiederentdeckt wurde. Die Gemeinde Havixbeck stellte das Gebäude daraufhin unter Denkmalschutz.

Älter als angenommen

2023 erfolgte durch das Bauforschungsteam des Fachamtes eine gefügekundliche Untersuchung des Bauwerks, das durch einige Veränderungen des 20. Jahrhunderts auf den ersten Blick jünger erscheint, als es ist: So wurden die Gefache des überkommenen Fachwerks und ganze Fassadenpartien mit einem zementhaltigen Kellenputz versehen sowie ein Stall und ein Wintergarten mit Balkon angebaut. Doch das steile Dach, die sichtbare Fachwerkkonstruktion im Oberstock sowie der aufwändig gestaltete Kamin in der großen Diele ließen ein sehr altes Gebäude vermuten. Die Untersuchung des Bauwerks sowie die Auswertung historischer Schriftquellen offenbarten dann auch, dass es sich bei dem heutigen Haus Krummer Timpen 12 um eines der letzten erhaltenen Konventsgebäude des einst in Hohenholte ansässigen freiweltlichen Damenstiftes handelt. Außerdem stellte sich heraus, dass es nicht wie bisher angenommen im 18. Jahrhundert, sondern bereits im 16. Jahrhundert erbaut wurde.

Das Rätsel der Bauherrin

Bisher hatte die Forschung die Äbtissin Helena Elisabeth von Stael zu Sutthausen als Bauherrin angenommen, die im 18. Jahrhundert im Besitz der Kurie war. Tatsächlich aber wurde das Haus bereits im 16. Jahrhundert erbaut, um 1589, für die Stiftsdame Christine von Stevening, die von 1590 bis 1620 das Amt der Äbtissin innehatte. Verschiedene Indizien belegen dies: Zum einen wurde eine dendrochronologische Untersuchung der Hölzer des Hausgerüsts vorgenommen. Die Untersuchungsergebnisse belegen, dass das verwendete Holz frühestmöglich im Winter 1581/82 geschlagen worden ist. Darüber hinaus findet sich in der archivalischen Überlieferung der Hinweis, dass im Zuge der Erbteilung der Eheleute Johann von Stevening und Catharina Bock im Dezember 1588 ihre Tochter „Christine, Stiftsjungfer in Hohenholte […] u.a. ihr Haus in Hohenholte fertig gezimmert bekommt.“ Die Entdeckung der Baunachricht von der Vollendung der repräsentativen Ausstattung ist ein bauforscherischer Glücksfall.

Ahnenprobe an der Feuerstelle

Ein besonders aufschlussreiches und eindeutiges Indiz für die Bauherrinnenschaft ist die Feuerstelle in der großen Diele. Der von Karyatiden getragene, in Sandstein gearbeitete Kaminsims ist als Wappenfries ausgebildet. Es handelt sich hierbei um die heraldische „Ahnenprobe“ Christine von Stevenings. Die acht Familienwappen ihrer Urgroßeltern – von Stevening, von Cleyhorst, von der Wyck, von Hülshoff, von Bock, von Kerckerinck zu Amelsbüren, von Merveldt und von Kerckerinck zu Stapel – dienen als Beweis ihrer adeligen Abstammung.

Kaminfries mit Ahnenprobe der Stiftsdame und Äbtissin Christine von Stevening. Die acht Wappen bilden die Familien der Urgroßeltern ab.

Kleine Wappenkunde

Stevening
Familie des Vaters, Erbmannsgeschlecht aus Münster
Wappen: rechtsschräger, nach oben etwas gebogener blauer Balken, auf dem blau und gelb bewulsteten Helm rechts ein blau, links ein gelb gekleideter Arm, die je einen Apfel von gewechselten Farben emporhalten
Quelle: Staatsarchiv Münster, um 1700 erloschen.

Bock
Familie der Mutter, Stammsitz ist die Stadt Münster, wo heute noch der Bocksplatz von ihnen den Namen hat
Wappen: vier Mal von Rot und Weiß quergeteilt, über alles hin springender schwarzer Bock, Helm gekrönt mit Kopf und Hals eines schwarzen Bockes
Quelle: Archiv des Hauses Stapel, Helene Elisabeth Josephine von Bock, lebte bis 1717 im Stift Hohenholte.

Droste zu Hülshoff
Familie der Urgroßmutter väterlicherseits, Stammsitz in Deckenbrock im Kirchspiel Everswinkel
Wappen: im Schild ein nach rechts gekrümmter fliegender weißer Barsch, auf dem Helm eine weiße Aalreuse
Quelle: Archiv des Hauses Hülshoff, die Familie blüht fort.

Seltenes bauliches Zeugnis eines westfälischen Damenstiftes

Zum Zeitpunkt der Säkularisation im frühen 19. Jahrhundert war das Stift Hohenholte eines von 27 Damenstiften in Westfalen-Lippe. 1811 wurde es aufgehoben und zur Domäne umgenutzt. 1859 wurde die selbständige Pfarrei Hohenholte gegründet. Die Stiftsgebäude gingen durch Brand, Abriss und Umbau weitgehend verloren. Die Stiftskurie am Krummen Timpen ist als eines der letzten baulichen Zeugnisse des Stifts ein bedeutendes Zeugnis für die Ortsgeschichte Hohenholtes. Sie zählt nicht nur zu den ältesten Bauten des Ortes, sie ist zudem einer der ältesten erhaltenen Konventsbauten seiner Art westfalen- und bundesweit.

Einblicke in alte Handwerkskunst

Mit seinem über 400 Jahre alten Hausgerüst ist das Haus Krummer Timpen eine seltene Quelle für die Konstruktionsweisen und Gefügetechniken der frühen Neuzeit im Münsterland. Das Ende des 16. Jahrhunderts über quadratischem Grundriss errichtete, sechs Gebinde lange Dielenhaus mit vorkragendem Oberstock und steilem Walmdach wurde bereits um 1730 um ein Fach nach Norden verlängert. In mehreren Gebinden sind die großen gekehlten Kopfbänder der Queraussteifung noch original erhalten. Dies ist anhand ihrer ungestörten Verzapfung mit den Deckenbalken und den Ständern sowie anhand der Abbundzeichen ablesbar. Im Bereich des Anbaus aus dem 18. Jahrhundert zeigen sich heute verdeckt vom jüngeren Gebäudeteil sowohl die bauzeitlichen Kopfbänder als auch die einst am Außenbau sichtbaren profilierten Zierknaggen im originalen Konstruktionszusammenhang.

Vielversprechende Zukunft

Das nun bereits in dritter Generation im Besitz der heutigen Eigentümer befindliche Haus wird derzeit denkmalgerecht saniert. Der Blick unter und hinter die Verkleidungen des 20. Jahrhunderts wird voraussichtlich noch aufschlussreiche historische Informationen offenbaren. Wie bereits jetzt, soll es auch zukünftig mehreren Generationen ein Zuhause bieten und zugleich die Ortsgeschichte Hohenholtes lebendig halten.