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Villa Schlüter in Gütersloh, Gewölbe nach der Restaurierung

Restauriertes Erdgeschoss der Villa Schlüter in Gütersloh

Denkmal des Monats
Juni 2025

Aus Dornröschenschlaf erweckt: Mosaikfliesenboden und Deckengewölbe aus dem 19. Jahrhundert

Das Erdgeschoss der 1888 erbauten Villa Schlüter in Gütersloh wurde bei einer Umgestaltung in den 1960er-Jahren stark verändert: Hochwertige Mosaikfliesen wurden mit Zement überdeckt, Gewölbedecken abgehängt und Ausstattungsdetails entfernt. Im Rahmen einer jetzt durchgeführten Sanierung und Umnutzung konnten viele Elemente der originalen Ausstattung freigelegt und wiederhergestellt werden. Dies gelang im Zusammenspiel und durch die enge Abstimmung der Beteiligten, vom engagierten und traditionsbewussten Eigentümer über die in der Denkmalpflege erfahrenen Planer und Handwerksbetriebe bis hin zu den beratenden Denkmalbehörden.

Arztpraxis und repräsentatives Wohnen unter einem Dach

Die rote Backsteinvilla mit Werksteinelementen aus ockerfarbenem Teutoburger Sandstein ließ der Arzt Dr. Wilhelm Schlüter (1844-1930) 1888 nach Plänen eines Königlichen Regierungsbaumeisters erbauen. Schlüter war neben der Tätigkeit in seiner eigenen Praxis seit 1884 auch als Mitglied der Sanitätskommission der Stadt Gütersloh und als Amtsarzt des Kreises Wiedenbrück tätig. Im Erdgeschoss seines noblen Wohnhauses befanden sich neben den privaten Repräsentationsräumen der Familie auch die Räume der Arztpraxis bestehend aus Wartezimmer und Sprechzimmer.

Hohe Stuckdecken und bemalte Gewölbe

Die Patienten betraten den Warteraum über ein kleines Foyer und von dort aus das Behandlungszimmer, zu dem angrenzend auch ein kleiner Waschraum gehörte. Der Arzt erreichte die Praxis über den Flur seiner Privatwohnung, die durch eine zweiflügelige Tür mit Oberlicht zum Praxiseingang abgeschlossen war. Die großzügigen Privaträume waren mit hohen Stuckdecken und im Bereich der Halle mit bemalten Gewölben ausgestattet. Pilaster mit floralen Kapitellen, wie sie sich im Eingang erhalten haben, waren ursprünglich auch im privaten Flur und in der Vorhalle vorhanden.

Einrichtung einer Arztpraxis in den 1960er-Jahren – mit gravierenden Folgen

In den 1960er-Jahren erfolgte dann die Einrichtung einer modernen Arztpraxis im gesamten Erdgeschoss. Um die hohen Decken der Räume aus energetischen Gründen, wie damals vielfach praktiziert, abzuhängen, wurden die Kapitelle der Wandvorlagen abgeschlagen. Auch die schmuckvollen farbigen Bodenfliesen im Flur und in der Halle wurden ohne Rücksicht auf Verluste mit Zement überdeckt und mit einem pflegeleichteren Bodenbelag versehen. Die zentrale Vorhalle wurde durch eine Wand abgetrennt und das Treppenhaus in einen rückwärtigen modernen Anbau verlegt.

Bauzeitliche Böden und Decken wieder sichtbar und instandgesetzt

Bei den kürzlich abgeschlossenen Maßnahmen zur Sanierung des Erdgeschosses wurden nun viele Elemente der bauzeitlichen Ausstattung wiederentdeckt und instandgesetzt. Möglich war dies dank der kompetenten und in der Denkmalpflege erfahrenen Planer und Handwerksbetriebe – Architekt Aljoscha Hölscher M.A. und Horst Neugebauer Immobilien- und Sachverständigenbüro (MRICS und HypZert) aus Gütersloh sowie „Das Fliesenhaus OWL“ aus Oerlinghausen und ars colendi aus Paderborn.
So fand man im Bereich des Flurs und der Vorhalle den bauzeitlichen Feinsteinzeug-Fliesenboden mit Mosaikprägung wieder. Er korrespondiert mit dem Zierfries aus Fliesen am Außenbau, unterhalb des Kranzgesimses der Villa. Der Boden war 1888 mit quadratischen monochromen und polychromen Fliesen aus Feinsteinzeug mit eingeprägtem Mosaikmuster belegt worden.
Häufig wird konstatiert, ein Freilegen solcher Fliesenböden sei technisch nicht möglich. Hier machte sich jedoch der erfahrene Handwerksbetrieb die Mühe, die Fugen Stück für Stück aufzutrennen und die Fliesen aufzunehmen. Das war zwar sehr zeitaufwändig, aber technisch zu einem großen Teil ohne Beschädigung möglich.

Die Fliesen wurden in einem Reinigungsbad abgewaschen. Statt sie wieder im Sandbett zu verlegen, wurde ein neues Fundament gegossen und bei der Gelegenheit auch eine Dämmschicht aufgebracht. Die intakten Fliesen wurden darauf geklebt, neu verfugt und mit rot eingefärbtem Estrich ergänzt. Der Boden ist nun wieder ein echter Blickfang. Die kostenintensiven Arbeiten konnten aus Denkmalmitteln des LWL anteilig gefördert werden.

Ebenso wurden das wiederentdecke Kreuzrippengewölbe in der Vorhalle, Hängekuppeln in den vier Jochen im Flur und Foyer sowie Stuckdecken im angrenzenden Wohnzimmer und Salon und die Wände im Wintergarten freigelegt, gereinigt und ergänzt.

Durch die fach- und denkmalgerechte Restaurierung ist die bauzeitliche Ausstattung der ehemaligen Villa Schlüter als Beispiel bürgerlichen Wohnens im späten 19. Jahrhundert heute wieder erlebbar. Die repräsentativen Räume sind nun das Domizil für eine Versicherungsagentur.

Die Restaurierung: Vorher und nachher

Blick in den Flur vor der Restaurierung

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mit Zement bedeckter Fußboden vor der Restaurierung

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Kreuzrippengewölbe vor der Restaurierung

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Autorin

Dr. Barbara Pankoke
Praktische Denkmalpflege

barbara.pankoke@lwl.org

Tel: 0251 591-5534

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