Transkript anzeigen Abspielen Pausieren

Die Fenster des Jungfernhauses in Velen-Ramsdorf

Denkmal des Monats Juni 2021

Das sogenannte „Jungfernhaus“ in Ramsdorf steht in unmittelbarer Nähe der Pfarrkirche St. Walburga am Walburgisplatz. Heute ist das Gebäude auch unter dem Namen Beckmanns Schmiede bekannt, da der Heimatverein Ramsdorf dort eine Schauschmiede betreibt.

Das kleine Fachwerkhaus zeigt an der kirchseitigen Hoffassade vier große, symmetrisch angeordnete Fenster. Diese bezeugen die Umnutzung des kleinen Gebäudes vom Viehstall zum kirchlichen Treffpunkt und prägen seinen Denkmalwert wesentlich mit. Die Fenster wurden nun mit viel Fachverstand restauriert. Aus diesem Anlass werden sie als Denkmal des Monats Juli vorgestellt.

Das Jungfernhaus

Das Jungfernhaus, auch Beckmanns Schmiede genannt, im Mai 2021. Foto: LWL/Breloh

Vom Stall zum Jungfernhaus

Das kleine Bauwerk wurde in den Jahren zwischen 1825 und 1883 am südlichen Rand von „Pastors Garten“ als landwirtschaftliches Nebengebäude errichtet. Im Laufe der Geschichte wurde es von den Pastoren und der Kirchengemeinde verschiedenartig bespielt. Für die Zeit von 1910 bis 1930 ist eine Nutzung als Stall und Waschküche belegt. Der Pastor hielt dort eine Kuh und Schweine. Zu dieser Zeit hatte das Gebäude wohl mehrere Zugänge und wesentlich kleinere Fenster.

1930 wurde das Fachwerkgebäude dann zu einem kirchlich-kulturellen Vereinsheim umgenutzt. Der Bau wurde für den Aufenthalt von Menschen hergerichtet und der Charakter des Hauses veränderte sich grundlegend. Die unverheirateten Frauen des Ortes trafen sich hier regelmäßig und es wurden Näh- und Handarbeitskurse für Mädchen abgehalten. Dadurch entstand der Name Jungfernhaus. Die neue Nutzung verlangte nach einer guten Belichtung, die durch die vier großen Blendrahmenfenster hergestellt wurde. Bis heute sind diese Fenster fast unverändert erhalten geblieben. Die schmalen Sprossen unterteilen die Flügel in liegende Rechtecke und erzeugen ein Bild, welches für Fenster der 1920er- und 30er-Jahre typisch ist.

Die Holzfenster brauchen Pflege

Im Jahr 2019 war der Anstrich der Fenster in einem desolaten Zustand. Weiterhin gab es Beschwerden über die mangelnde Dichtigkeit der Fenster. Nach einer fachlichen Beratung durch die LWL-Denkmalpflege, Landschafts- und Baukultur in Westfalen beauftragte die Stadt Velen als Eigentümerin einen Fachbetrieb für Denkmalpflege, die Firma Holz und Form GmbH aus Bochum, mit der Begutachtung und Restaurierung der Fenster.

Die spezialisierten Handwerker untersuchten, welche Materialien und Techniken bei den historischen Fenstern bisher angewandt wurden und welche Schäden im Laufe der Zeit entstanden sind. Die Blockrahmenfenster mit je zwei Stulpflügeln und einem Kippoberlicht sind aus Lärche gefertigt und zeigen eine Konstruktions- und Beschlagtechnik der 1920er-Jahre. In annähernd der Hälfte der Sprossenfelder ist noch wertvolles historisches Ziehglas vorhanden.

Neben Schäden an Fensterlack und Kitt stellten die Restauratoren fest, dass einige Flügel und Beschläge verzogen waren und klemmten. Eckwinkel waren verrostet, Flügelteile von Nagekäfern und Pilzen befallen. Die Wetterschenkel waren verhobelt, so dass die Wasserabführung nicht mehr gewährleistet war. Insgesamt befanden sich die Fenster jedoch in einem recht guten Zustand, da die erwähnten Schäden meist nur punktuell auftraten. An den Zinkfensterbänken drang Wasser unkontrolliert in die Konstruktion ein, so dass auch Schäden am Fachwerk entstanden waren.

Ein Fenster noch ohne neue Fensterbank nach der Restaurierung. Foto: Schreinerei HOLZ und FORM GmbH / Nonnenmacher

Reparatur eines durch Nagekäfer befallenen Rahmenteils

Reparatur eines durch Nagekäfer befallenen Rahmenteils. Foto: Schreinerei HOLZ und FORM GmbH / Nonnenmacher

Restaurierung mit historischen Materialien

Bei der Restaurierung konnten fast alle Bestandteile der historischen Fenster erhalten werden. Die originale Substanz wurde nur dort ausgetauscht, wo dies unbedingt notwendig war.

Die Fenster wurden an der Außenseite mittels Einsatz von Infrarotgeräten komplett entlackt. Die Schadbereiche an den Rahmenteilen wurden ausgefräst und mit gesundem Lärchenholz ausgeleimt. Die Beschläge wurden gerichtet, gängig gemacht und neu gestrichen. Das Fensterglas wurde, wie schon beim Bau der Fenster um 1930, mit Leinölkitt eingesetzt. Die Außenseite der Fenster wurde mehrfach mit Leinöl und Leinölfarbe gestrichen. Durch tiefes Eindringen in die Holzsubstanz wirkt das Leinöl konservierend und kann dadurch dauerhaft schützen.

 

Treiberriegel mit Handhabe aus Messing, hier noch unbearbeitet. Foto: Schreinerei HOLZ und FORM GmbH / Nonnenmacher

Auftragen der Leinölfarbe auf den Fensterkitt

Auftragen der Leinölfarbe auf den Fensterkitt. Foto: Schreinerei HOLZ und FORM GmbH / Nonnenmacher

Schlagregenschutz und Wärmeschutz

Zur Verbesserung der Schlagregendichtigkeit und des Wärmeschutzes bauten die Restauratoren Zugluftdichtungen und Vorsatzscheiben ein. Die Wetterschenkel wurden mit Tropfkehlen versehen. Neue Blechfensterbänke wurden an der Außenseite so eingebaut, dass das Wasser nicht mehr in die Konstruktion eindringen und dadurch Schäden verursachen kann.

Durch die schonende Ertüchtigung und Restaurierung wurde nicht nur die oberflächige Erscheinung der Fenster, sondern auch deren Konstruktion, Funktion und Haltbarkeit nachhaltig verbessert. Aus diesem Grund unterstützte der LWL die Ausführung durch eine finanzielle Förderung.

Als bauliches Zeugnis der Umnutzung von Pastors Stall in ein „Jungfernhaus“ geben die Fenster dem Haus sein unverwechselbares Aussehen und werden bei guter Pflege auch in Zukunft erhalten bleiben können.

Autorin

Birgit Breloh
Praktische Denkmalpflege

birgit.breloh@lwl.org

Tel: 0251 591-4043

Porträt