Fachtagung
Wir haben gezielt lokale Vertreterinnen und Vertreter aus den Bereichen Denkmalpflege, Baukultur, Stadtplanung, Kultur, Wirtschaft, Wissenschaft, Bildung, Einzelhandel und Tourismus eingeladen, um ihnen Einblick in die Bau- und Nutzungsgeschichte des Denkmals zu geben und dessen Bedeutung im Kontext der Stadtentwicklung Münsters aufzuzeigen. Im Anschluss an zwei Impulsreferate gab es außerdem einen Austausch mit einem interdisziplinär besetzten Podium:
Und warum ist die JVA eines der wichtigsten profanen Denkmäler Münsters?
Unter diesen Fragestellungen stellten drei Vorträge die Werte des Denkmals JVA für die Denkmallandschaft in Westfalen-Lippe heraus. Maria Look, die die JVA bis zum August dieses Jahres geleitet hat, gab den Teilnehmern einen Einblick in die Geschichte und die Gegenwart des Strafvollzugs in der JVA.
Dr. Jost Schäfer, wissenschaftlicher Referent beim LWL, stellte die Bedeutung des Denkmals heraus, indem er den Gästen die über 160-jährige Geschichte des Gebäudekomplexes vorstellte.
Die Leiterin des Stadtmuseums Münster, Dr. Barbara Rommé, erweiterte den Blick auf ganz Münster. In ihrem Vortrag zeichnete sie insbesondere die Bedeutung der Preußenzeit für das Stadtbild von Münster nach.
Wichtige Erinnerungsorte
Dr. Markus Harzenetter stellte in seinem Vortrag heraus, dass es Umnutzungen von Gebäuden schon zu allen Zeiten gab. Viele umgenutzte Gebäude prägen bis heute auch das Münsteraner Stadtbild, angefangen vom ehemaligen fürstbischoflichen Schloss bis hin zur ehemaligen Speicherstadt. Allen gemein sei, dass sie neben ihrer neuen Nutzung wichtige Erinnerungsorte seien. Er stellte heraus, dass es europaweit viele gute Beispiele für erfolgreiche Umnutzungen von Gefängnissen gäbe. Als Beispiel stellte er die umgenutzte Gefängnisanlage in Luckau in Brandenburg vor. Abschließend formulierte er das Ziel der Denkmalpflege für die Zukunft der JVA Münster: „Für die historische Ablesbarkeit ist sowohl die städtebauliche Figur als auch die Innenstruktur wichtig. Das heißt, in den Entwicklungsprozess ist die Auseinandersetzung mit der Zellenstruktur bis hin zu Details, wie die offenen Galerien mit Netzen, wichtig. Der kontinuierliche Abwägungsprozess hinsichtlich des Zeugniswertes ist zentraler Bestandteil der Planungsmethodik der Denkmalpflege.“
Podiumsdiskussion
Landeskonservator Dr. Markus Harzenetter stellte heraus, dass es wichtig sei, die Werte des Denkmals frühzeitig breit zu kommunizieren, um gezielt das Wissen des Fachamtes über die denkmalgeschützte Anlage an die Öffentlichkeit weiterzugeben. Das Ziel der LWL-Denkmalpflege, Landschafts- und Baukultur sei es, dass der Verkauf des Grundstückes nur mit den notwendigen Rechten und Pflichten vollzogen werde. Und dazu gehöre auch der Denkmalschutz.
Karin Geißler, Dezernentin für Denkmalschutz und Denkmalförderung bei der Bezirksregierung Münster, zeigte auf, dass die JVA seit 1984 unter Denkmalschutz stehe. Sie stellte heraus, dass hier bereits seit 30 Jahren aktive Denkmalpflege betrieben werde. Als Vertreterin der oberen Denkmalbehörde, setze sie sich daher auch bei einer anstehenden Umnutzung für eine Fortführung des Denkmalschutzgedankens ein.
Markus Vieth vom Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW sagte als Vertreter des Landes NRW, Eigentümer der JVA, dass sobald die neue JVA fertiggestellt sein werde, das Gelände an der Gartenstraße verkauft werde. Der BLB sei hier gehalten, den Verkauf unter dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit vorzunehmen. Er erhoffe sich, dass der neue Eigentümer die Interessen des Denkmalschutzes und der Stadtentwicklung wahren werde. Bei der weiteren Entwicklung des Denkmals sei es wichtig, dass man gemeinschaftlich eine zukunftsfähige Idee entwickelt. In diese sollten weitere Ziele des Landes – wie z.B. die Wohnraumförderung – einbezogen werden.
Maria Look, die die JVA bis August dieses Jahres geleitet hat, stellte auch aus der Nutzerperspektive die Bedeutung des Denkmals heraus. „Wir müssen auch bei den Münsteranern für den Erhalt werben, nur wenigen Stadtbewohnern ist das Denkmal wirklich präsent!“ Sie kommentierte, dass die Zukunftsdiskussion maßgeblich von einer Frage abhänge: „Wie viel ist uns dessen Erhaltung wert?“
Stefan Rethfeld, Vorstand der Initiative Münster Modell e.V., der als Gast eingeladen war, brachte zwei Wünsche in die Diskussion ein. Er sehe es als wichtige Planungsaufgabe an, dass bei der weiteren Entwicklung der JVA Münster die Betrachtung über das Einzelprojekt hinausgehen müsse. Hier sei es wichtig, dass eine Quartiersentwicklung angestoßen werde, in der hybride Nutzungen möglich seien. Für den weiteren Planungsprozess sei es sinnvoll, bereits durch geführte Konversionsprojekte mit ähnlicher Fragestellung – im Sinne einer Best Practice Sammlung- zusammenzustellen.
Was braucht die Stadt von Morgen?
Wie auch Markus Vieth vom BLB NRW in seinem Kommentar herausstellte, ist die wirtschaftliche Betrachtungsweise hinsichtlich der Rentabilität der denkmalgeschützten Anlage eine Kernfrage in der Zukunftsdiskussion.
Prof. Guido Spars, der an der Bergischen Universität in Wuppertal den Fachbereich der Ökonomie des Planes und Bauens leitet, plädierte in seinem Vortrag für einen veränderten Blick hinsichtlich der ökonomischen Betrachtungsweise von Projekten. Bei der Projektentwicklung seien neue Strategien wichtig, die auch andere Parameter der wirtschaftlichen Bewertung zulassen. Aber auch andere Bewertungskriterien z.B. hinsichtlich bauphysikalischer Fragen.
Diskussion zu den Entwicklungspotenzialen der denkmalgeschützen Anlage
Prof. Julia Bolles-Wilson brachte ihre Erkenntnisse bzgl. ihrer eigenen architektonischen Auseinandersetzung mit dem Denkmal* und ebenso die Erkenntnisse eines studentischen Entwurfsprojektes, dass sie zusammen mit ihrem Mann -dem Architekten Peter Wilson- an der münster school of architecture geleitet hat, in die Diskussion ein. Sie erläuterte, dass die städtebaulichen Analysen gezeigt haben, dass sich das Areal der JVA als städtebauliche Großform ähnlich deutlich abzeichne wie der Raum um das Schloss und der Raum um den Paulusdom. Aufgrund seiner Dimension und aufgrund seiner Lage komme ihr daher eine besonders hohe städtebauliche Bedeutung zu. Alle Studenten hätten in Ihren Arbeiten die städtebauliche Figur des Baukörpers der JVA mit einbezogen und hätten mit ihren Nutzungsvorschlägen kreativ auf die Innenstrukturen reagiert. Ein Hotel, ein generationsübergreifendes Wohnprojekt, ein Studentenwohnheim, eine Therme, die Palette der Vorschläge wäre groß gewesen. Prof. Bolles-Wilson stellte insbesondere das hohe gestalterische Potenzial der Gefängnismauer heraus. „Sie ist ein wesentlicher Bestandteil des Denkmals und sollte auf jeden Fall in ein neues Konzept mit einbezogen werden.“
*Das Büro Bolles-Wilson hat die Bibliothek der JVA entworfen und umgebaut. Es erhielt dafür 2007 den Deutschen Bibliothekspreis als „Bibliothek des Jahres“.
Dr. Holger Mertens vertrat auf dem Podium das LWL-Team der Praktischen Denkmalpflege und das Team der LWL-Baukultur. Er machte im Gespräch die Rolle der Denkmalpfleger „als Lotse im Planungsprozess“ deutlich. Der Denkmalpflege sei es wichtig, dass sich die Planer mit dem Ort und der Geschichte intensiv auseinandersetzen. Ein wichtiges Planungsinstrument sei eine über die bauliche Struktur hinausgehende Bestandsanalyse. Aufbauend auf der genauen Kenntnis des Ortes könnte dann im Abwägungsprozess eine zukunftsfähige Lösung entwickelt werden. Und das könnten Verschiedene sein. Er ergänzte, dass die Denkmalpfleger dabei in zweierlei Hinsicht nachhaltig handeln. „Sie erhalten materielle Ressourcen und sie erhalten Erinnerung.“
Siegfried Thielen, Dezernent für Planungs- und Baukoordination der Stadt Münster, vertrat Stadtdirektor Hartwig Schultheiß bei der Tagung. Er kommentierte, dass er die JVA als wichtiges Element eines Quartiers einstufe. Das gesamte potenziell zu entwickelnde Areal sei viel größer als die JVA mit ihren Mauern, der jetzige Landesbesitz gehe bis zur Goldstraße. Darin bestehe eine große Chance verschiedene Ziele der Stadtentwicklung im Kontext zum Denkmalschutz umzusetzen. Er betonte, dass ein Planungsprozess unter Einbeziehung der Bürgerschaft von großer Bedeutung sei. Er sehe den ersten Schritt im verantwortungsvollen Umgang mit dem Denkmal beim Land NRW, es müsse das Grundstück mit den notwendigen Auflagen veräußern.
Prof. Dr. Guido Spars unterstrich noch einmal, dass jetzt der richtige Zeitpunkt sei, um über das Denkmal nachzudenken. In dieser frühen Phase sei der Raum da, um verschiedene Denkmodelle bzgl. einer Nachnutzung durchzuspielen.
Ein überregional bedeutendes Baudenkmal
Schon seit Langem steht die Zukunft der historischen und denkmalgeschützten Justizvollzugsanstalt in Münster in der Diskussion. Dabei spielt auch der enorme Sanierungsbedarf der gesamten Anlage eine große Rolle. Sollte in absehbarer Zeit eine neue JVA in Münster errichtet werden, so stellt sich auch die Frage, was denn angemessenerweise mit der Anstalt geschehen kann und soll. Die LWL-Denkmalpflege, Landschafts- und Baukultur in Westfalen hat am 28.10.2014 eine Fachtagung mit dem Thema: „Denkmalzukunft JVA Münster?“ in der dortigen Kapelle veranstaltet, um frühzeitig den Wert der denkmalgeschützten Anlage zu vermitteln und mögliche Planungsstrategien zu diskutieren.
Den außergewöhnlichen Denkmalwert des münsterschen Strafgefängnisses hat man bereits in den 1960er-Jahren erkannt und so fand es auch Eingang in das „Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler. Nordrhein-Westfalen“, den sogenannten Dehio-Westfalen. Dort findet sich in typisch knapper Form eine Beschreibung des symmetrischen Gebäudekomplexes aus dunkelroten Ziegeln von 1848 bis 1851, der nach Plänen des Schinkel-Mitarbeiters Carl Ferdinand Busse, Berlin, ausgeführt worden ist. In seiner Grundform folge er einem unregelmäßiges Fünfeck, wobei sein kastellartig zinnenbekrönter Mittelbau mit Turm und vier radial angeordneten Flügeln wie auch seine Nebengebäude den Einfluss der von englischer Gotik bestimmten historisierenden Schlossbauten Schinkel verrate. Es handele sich hier – so der Dehio – um die „wohl künstlerisch bedeutendste erhaltene Architektur des 19. Jh. in Münster.“
Ursprüngliches Architektursystem noch erhalten
Im 19. Jahrhundert – und auch schon früher – begann man sich intensiv mit Fragen nach dem Umgang und der Unterbringung verurteilter Delinquenten zu beschäftigen, wobei neben den Problemen effizienter Überwachung u.a. auch solche der Hygiene eine Rolle spielten. Als Antwort darauf erfand man zunächst in Philadelphia/USA und dann besonders in England das System eines mehrstrahligen Zellentraktsystems, dessen Gebäudetrakte auf einen – im Inneren – offenen Zentralbau zuliefen. Die Zellentrakte erhielten so alle gleichermaßen viel Licht und Luft und die Zentrale funktionierte als panoptisches Bewachungssystem. Das bedeutet, dass von hier aus nur einige wenige Überwacher nötig waren, um alle abgehenden Flure im Auge halten zu können. Die erste Anlage des panoptischen Systems eines Zellengefängnisses wurde in den frühen 1840er-Jahren nach Plänen des englischen Architekten Joshua Jebb in London Pentonville errichtet. Diese als „Mustergefängnis“ bezeichnete Anlage fand großen Anklang und Nachfolge nicht nur in Europa. Der preußische König Friedrich Wilhelm IV. stattete ihr bei seinem Besuch in London schon kurz nach der Fertigstellung einen Besuch ab und beauftragte daraufhin sogleich den Architekten Busse mit der Ausführung von Entwurfskopien für neu zu errichtende Gefängnisse in Preußen. Der erste Entwurf war derjenige für Berlin-Moabit (1842), dem sofort (1843) derjenige für Münster als (etwas kleinere) Kopie folgte.
Die Berliner Anlage steht bereits seit den 1950er-Jahren nicht mehr; damit gilt diejenige in Münster als die älteste noch erhaltene aus preußischer Zeit. Hier ist das gesamte ursprüngliche Architektursystem auch heute noch erhalten, wenngleich natürlich Modernisierungen, Erweiterungen etc. über die vergangenen 160 Jahre vonstattengegangen sind. Ihre einzigartige Aussagekraft begründet nicht nur eine regionale Bedeutung für Westfalen, sondern darüber hinaus sogar nationalen Rang zumindest auf dem Gebiet des ehemaligen preußischen Gebietes im heutigen Deutschland und man muss gespannt darauf sein, was im Falle einer zu erwartenden neuen – wahrscheinlich anderen – Nutzung mit diesem großen innerstädtischen Quartier und seinem Baudenkmal geschehen wird.
Dr. Jost Schäfer
Denkmalzukunft JVA Münster
Die JVA Münster ist eine der ältesten erhaltenen Justizvollzugsanstalten aus preußischer Zeit. Einen Blick hinter die Gefängnismauern ermöglicht dieses Video.