Fünfzigerjahre-Charme
Das Kino „Bali“ im Hagener Hauptbahnhof wurde in den 1950er-Jahren erbaut und ist mitsamt der Ausstattung und inklusive eines separaten Kassenhäuschens im Erdgeschoss der Bahnhofshalle noch vollständig erhalten. Der Stil der Fünfzigerjahre zieht sich durch das Treppenhaus bis in den Kinosaal, wo der ganze Charme dieser Epoche noch hautnah zu erleben ist. Derzeit wird der Gebäudeteil von der Deutschen Bahn AG unter Beibehaltung des ursprünglichen Stils saniert und einer neuen Nutzung als Fundbüro mit Versteigerungsort zugeführt.
Empfang im Stil der Fünfziger
Der Eingangsbereich mit dem Kassenhäuschen, das überwiegend aus Messingelementen besteht, befindet sich im Erdgeschoss der Bahnhofshalle. Besonders ins Auge sticht der hervorkragende verglaste Kassenbereich.
Seitlich davon gelangt man ins geschwungen verlaufende Treppenhaus, welches mit vertikalen Fliesen aus Solnhofener Platten versehen ist und noch über die Originalbeleuchtung verfügt. Auch hier findet sich Messing am Handlauf. Vom Treppenhaus aus betritt man im Obergeschoss ein Foyer mit Getränkebar, wo sich Spiegel, Heizkörper und Lampen in bauzeitlicher Ausstattung befinden.
Textile Ausstattung
An der textilen Ausstattung fand eine Voruntersuchung durch die Textilrestauratorinnen Kerstin Heitmann und Lisa Froitzheim (Köln) statt. Dabei wurden auch die verwendeten Materialien analysiert. Die Wände weisen Polsterungen auf, die in regelmäßigen Abständen mit Knöpfen versehen sind. Als Bezug kam eine synthetische Polymerschicht mit geprägter Oberflächenstruktur zum Einsatz. Ab Ende der 1930er-Jahre erfuhr die Entwicklung neuer Materialien starken Aufschwung. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurden diese für Gebrauchsgüter modifiziert und konnten in größeren Mengen produziert werden.
Die Rückwand unterhalb der Empore ist mit Baumwoll-Samt bezogen, der eine ähnliche hellblaugraue Farbe aufweist wie die Wandbespannung. Blauer Samt findet sich zudem in Form von Vorhängen vor den Türen.
Die Vertäfelung
Rechts und links der Besucherreihen sind die Wände bis auf Hüfthöhe mit Wandvertäfelungen aus Spanholzplatten verkleidet, die eine spezielle Textur aufweisen. Möglicherweise handelt es sich hierbei um eine Spezialanfertigung, die aufgrund neuer Herstellungsverfahren produziert werden konnte. Dieses Material fand auch an den Einrahmungen der Türen und deren Laibungen Verwendung. Eingefasst sind die Spanplattenbereiche mit einfach verzierten Rundholzleisten, die ursprünglich eine Schellacklasur aufwiesen.
Logenattrappen
Am rückwärtigen Ende des Saals befindet sich der höher gelegene Vorführraum, der mit gelben Samtvorhängen verkleidet ist, welche ebenso an den angrenzenden Logenattrappen zu finden sind.
Unterteilt sind die Logen von kannelierten Säulen, die den blaugrauen Farbton des unterliegenden Geschosses aufgreifen und so einen farblichen Kontrast bilden. Eine Begrenzung erhalten die Logen am vorderen Abschnitt durch gebänderte Brüstungsgitter aus Messing.
Am beeindruckendsten erscheinen jedoch die überdimensionalen Stehlampen in Tütenform aus Kunststoff mit Messingringen, die an den Logen mittig zwischen den Gittern positioniert sind. Auch hier wurde ein neues Gebrauchsmaterial verwendet; eine Analyse des Kunststoffs steht noch aus.
Folgende Schritte
Auf Grundlage restauratorischer Voruntersuchungen soll im folgenden Schritt die Raumausstattung des Kinos bearbeitet werden, wobei der Schwerpunkt auf einer Oberflächenreinigung und erhaltenden stabilisierenden Maßnahmen liegt. Für die Textilien liegt bereits ein Konzept vor, wobei noch keine geeignete Reinigungsmethode für die Wandpolsterungen gefunden werden konnte.
Bis über die 1990er-Jahre hinaus durfte in Kinos geraucht werden; die Nikotinablagerungen sind erheblich. Auch an den Wandvertäfelungen müssen aufgrund der Nikotinablagerungen noch Reinigungsproben erfolgen. Gelöste Verleimungen und Nagelungen, besonders solche von Verzierungen, werden wieder fixiert und Montagevorrichtungen gangbar gemacht.
Geplant ist der Einzug der Zentrale des Fundbüros der Deutschen Bahn AG für das nächste Jahr. Der große Kinosaal im 1. Obergeschoss soll als Versteigerungsort für das Fundbüro und zusätzlich als Veranstaltungsort genutzt werden. Statt “Schwarzwaldmädel“ oder „Die Katze auf dem heißen Blechdach“ werden dann vergessene Kuriositäten oder Alltägliches von Reisenden auf der Bühne zu sehen sein.
